Ein Leistenbruch (Inguinalhernie) ist ein Eingeweidebruch im Leistenbereich, bei dem sich Bauchinhalt durch eine Schwachstelle der Bauchwand nach außen wölbt.
Dies führt typischerweise zu einer tastbaren Vorwölbung in der Leistengegend, die besonders beim Husten, Pressen oder Heben schwerer Lasten auffällt .
In vielen Fällen treten ziehende Schmerzen oder ein Druckgefühl auf, das sich im Laufe des Tages verstärken kann. Leistenbrüche zählen zu den häufigsten chirurgischen Erkrankungen: Etwa jeder vierte Mann erleidet im Laufe seines Lebens einen Leistenbruch, und bei 70-jährigen Männern liegt die Wahrscheinlichkeit sogar bei rund 50 % . Frauen sind deutlich seltener betroffen – auf 34 Männer kommt nur etwa eine Frau mit Leistenbruch – was mit anatomischen Unterschieden im Leistenkanal zusammenhängt .
Obwohl ein Leistenbruch an sich oft nicht unmittelbar gefährlich ist, besteht ohne Behandlung stets das Risiko, dass sich Darmschlingen einklemmen und die Durchblutung abgeschnürt wird.
In einem solchen Notfall (Inkarzeration) kann es innerhalb weniger Stunden zu einem Darmverschluss oder sogar zum Absterben von Darmgewebe kommen, was unbehandelt lebensbedrohlich ist.
Daher gilt: treten starke Schmerzen, Übelkeit oder Erbrechen bei bestehendem Leistenbruch auf, ist sofortige medizinische Hilfe nötig. In den meisten Fällen verläuft ein Leistenbruch jedoch zunächst mild und ist gut behandelbar.
Dieser Artikel erläutert Ursachen und Risikofaktoren des Leistenbruchs – einschließlich der Rolle von Lebensstil, Ernährung, Bewegung und genetischer Veranlagung – und stellt moderne minimalinvasive Behandlungsmethoden vor.
Zudem werden besondere Aspekte bei Sportlern und älteren Patienten beleuchtet. Alle Informationen sind wissenschaftlich fundiert und mit Quellen belegt.
Ursachen und Risikofaktoren eines Leistenbruchs
Ein Leistenbruch entsteht durch eine Schwachstelle im Gewebe der Bauchwand im Bereich des Leistenkanals. Der Leistenkanal stellt eine natürliche Lücke in der Bauchwand dar, durch die beim Mann der Samenstrang (bei der Frau ein Halteband der Gebärmutter) verläuft.
Normalerweise wird diese Stelle durch Muskeln, Bänder und straffes Bindegewebe stabilisiert. Erhöhter Druck im Bauchraum kann jedoch dazu führen, dass an einer Gewebeschwachstelle Fasern nachgeben und sich das Bauchfell sackartig nach außen vorwölbt (Bruchsack) .
Durch diese Bruchpforte können Anteile von Bauchorganen – meist eine Darmschlinge – aus dem Bauchraum hervortreten . Kurzfristig steigt der Druck im Bauch zum Beispiel beim schwerem Heben, Pressen oder auch heftigem Husten und Niesen stark an .
Meist führt erst das Zusammenwirken mehrerer Faktoren dazu, dass ein Bruch entsteht. Zu den wichtigsten Risikofaktoren für eine Leistenhernie zählen Mediziner:
- Höheres Lebensalter: Mit zunehmendem Alter verliert das Bindegewebe an Elastizität und Festigkeit. Ältere Menschen (insbesondere Männer) haben daher ein höheres Hernienrisiko . Beispielsweise steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Leistenbruch bei einem 70-jährigen Mann auf bis zu 50 % .
- Männliches Geschlecht: Rund 90 % aller Leistenbrüche treten bei Männern auf . Der Leistenkanal ist bei Männern von Natur aus eine Schwachstelle, da hier der Samenstrang durchtritt.
Bei Frauen ist die Anatomie stabiler, zudem kommt bei ihnen ein Leistenbruch häufiger unterhalb des Leistenbandes als Schenkelhernie vor . - Genetische Veranlagung: Angeborene Bindegewebsschwäche oder familiäre Häufung von Hernien erhöhen das Risiko deutlich.
Treten in der Familie bereits Leistenbrüche auf, kann das persönliche Risiko bis auf das Achtfache steigen, was auf eine erbliche Komponente hinweist .
Auch bestimmte genetische Bindegewebserkrankungen (z. B. Kollagenosen, Marfan- oder Ehlers-Danlos-Syndrom) begünstigen Hernien. Bei Säuglingen und Kindern sind Leistenbrüche oft angeboren, etwa durch einen nicht vollständig verschlossenen Leistenkanal (indirekte Hernie) . - Erhöhter Bauchinnendruck: Alles, was den Druck im Bauchraum chronisch erhöht, kann eine Hernie fördern. Klassische Faktoren sind chronischer Husten (etwa bei COPD) , häufiges starkes Pressen beim Stuhlgang infolge chronischer Verstopfung , Prostatavergrößerung (Pressen beim Wasserlassen) und Schwangerschaft .
Auch Aszites (Bauchwasser) durch Erkrankungen kann die Bauchdecke von innen aufdehnen .
Interessanterweise galt schweres Heben lange als typischer Auslöser, doch Studien zeigen, dass körperlich hart arbeitende Menschen nicht häufiger einen Leistenbruch erleiden als weniger belastete Personen . Das Heben selbst erzeugt zwar kurzfristig hohen Druck, scheint aber einen intakten Leistenkanal allein nicht aufzureißen .
Vermutlich macht schweres Heben jedoch einen bereits bestehenden, noch unbemerkten Bruch sichtbar – etwa indem eine zuvor kleine Lücke plötzlich zum Vorschein kommt . In jedem Fall sollte man beim Heben richtig in die Knie gehen und die Bauchmuskulatur anspannen, um die Belastung der Leiste zu minimieren . - Übergewicht und Bewegungsmangel: Übermäßiges Körpergewicht kann das Risiko für Hernien erhöhen, da Fettansammlungen im Bauchraum den Druck auf die Bauchwand steigern.
Gleichzeitig schwächt Bewegungsmangel die Muskulatur, welche die Bauchwand unterstützt. Ein gesunder Lebensstil mit normalisiertem Körpergewicht wirkt dem entgegen.
Allerdings haben stark Übergewichtige in einigen Studien nicht wesentlich häufiger Leistenbrüche als Normalgewichtige – teils wird sogar ein etwas geringeres Hernienrisiko diskutiert, da Fettpolster an der Leiste den Kanal ausfüllen.
Trotzdem gilt Adipositas als Risikofaktor, insbesondere für andere Hernienformen wie Bauchwandbrüche und weil Übergewicht operative Behandlungen erschwert. - Rauchen: Nikotinkonsum fördert chronischen Husten und schädigt die Durchblutung des Bindegewebes. Raucher haben häufiger Hernien und auch ein höheres Risiko für Heilungsstörungen nach Hernien-Operationen.
- Voroperationen und Verletzungen: Jede Schädigung der Bauchwand, etwa durch vorausgegangene Operationen (Narbenbrüche) oder Verletzungen, kann einen Bruch begünstigen .
Insbesondere Operationsnarben am Unterbauch stellen Schwachstellen dar. Treten nach Bauchoperationen Wundinfektionen auf, ist das Risiko für einen späteren Bruch deutlich erhöht . - Medikamente: Eine Langzeitbehandlung mit kortisonhaltigen Medikamenten (Glukokortikoiden) kann das Bindegewebe schwächen und Hernien wahrscheinlicher machen .
Zusammenhang zwischen Lebensstil und Hernien: Die genannten Faktoren zeigen, dass Ernährung, Bewegung und Lebensgewohnheiten eine wichtige Rolle spielen.
So lässt sich das Hernienrisiko durch einen gesunden Lebensstil in gewissem Maße reduzieren: Eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung beugt Verstopfung vor und verhindert starkes Pressen beim Stuhlgang – ein wichtiger Beitrag, um chronisch erhöhten Bauchdruck zu vermeiden.
Ebenso hilft ein normales Körpergewicht, die Dauerbelastung für die Bauchwand zu senken. Regelmäßige körperliche Bewegung und moderates Training können die Bauch- und Rumpfmuskulatur stärken, was der Bauchwand zusätzlichen Halt gibt.
In der modernen Hernienchirurgie wird zunehmend ein ganzheitlicher Ansatz propagiert, der die Gesundheit der Rumpf- und Bauchmuskulatur (Core Health) in den Vordergrund stellt.
So empfiehlt die American Hernia Society im Rahmen des Konzepts „Abdominal Core Health“, bereits präventiv die Kernmuskulatur durch gezieltes Training, Physiotherapie und Ernährung zu optimieren, um Hernien vorzubeugen bzw. besser zu überstehen.
Allerdings stößt Prävention auch an Grenzen: Hat jemand eine angeborene Gewebeschwäche oder eine schon bestehende Bruchlücke, lässt sich eine Hernie durch Training oder Diät allein nicht immer verhindern.
Einmal entstandene Bruchpforten heilen nicht von selbst, da das ausgetretene Gewebe die Lücke offen hält . Deshalb können konservative Maßnahmen nur Risikofaktoren mindern, ersetzen aber keine notwendige Operation.
Behandlung: von offener Operation bis minimalinvasiver Hernienchirurgie
Ein Leistenbruch heilt nicht spontan, sondern muss – sofern Beschwerden auftreten oder das Risiko von Komplikationen besteht – chirurgisch behandelt werden .
Das Ziel der Operation ist es, den ausgetretenen Bruchsack zurück in den Bauchraum zu verlagern und die Bruchlücke in der Bauchwand dauerhaft zu verschließen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Hernienchirurgie stark weiterentwickelt.
Während früher vor allem offene Operationstechniken mit größeren Schnitten zum Einsatz kamen, stehen heute verschiedene schonende, minimalinvasive Verfahren zur Verfügung .
Offene Operation (konventionelle Technik): Bei der klassischen offenen Hernien-OP wird ein Schnitt in der Leistenregion durchgeführt, um den Bruchsack freizulegen und zurückzuschieben. Anschließend wird die Lücke in der Bauchwand verschlossen.
Seit den 1980er Jahren hat sich dabei die spannungsfreie Technik mit Netz durchgesetzt: Ein synthetisches Netzimplantat (meist aus Propylen-Kunststoff) wird über der Bruchstelle platziert und mit Nähten fixiert.
Dieses Netz (Mesh) verstärkt die geschwächte Stelle und verteilt den intraabdominalen Druck breit, wodurch ein erneuter Bruch weitgehend verhindert wird .
Die Einführung der Netztechnik revolutionierte die Hernienbehandlung – die Wiederkehrquote (Rezidivrate) sank von zweistelligen Prozentwerten auf nur noch etwa 1–5 % .
Die häufigste offene Methode ist die Lichtenstein-Operation, bei der ein flaches Netz spannungsfrei auf die Bruchlücke in der Leiste gelegt wird.
Alternativ gibt es traditionelle Nahtverfahren ohne Netz wie die Shouldice-Technik, die aber höhere Anforderungen an das Gewebe stellt und heute meist nur noch in Spezialkliniken oder bei jungen Patienten ohne Bindegewebsschwäche angewandt wird .
Ein Vorteil der offenen OP ist, dass sie unter örtlicher Betäubung durchgeführt werden kann – relevant für ältere oder vorerkrankte Patienten, die kein allgemeines Narkoserisiko eingehen möchten.
Allerdings benötigt die offene Operation einen größeren Schnitt und damit potenziell längere Heilungszeit und verursacht anfänglich mehr Wundschmerz.
Minimalinvasive Verfahren (Schlüssellochchirurgie): Zunehmend werden Leistenbrüche laparoskopisch oder endoskopisch repariert.
Dabei erfolgt der Eingriff über kleine Hautschnitte von ca. 5–10 mm, durch welche eine winzige Videokamera und Instrumente eingeführt werden. Der Chirurg kann so von innen an die Bruchstelle gelangen, ohne die äußeren Schichten großflächig zu durchtrennen.
Es gibt zwei gängige Techniken: TAPP (transabdominelle präperitoneale Plastik), bei der über die Bauchhöhle operiert wird, und TEP (totale extraperitoneale Plastik), bei der der Eingriff komplett außerhalb des Bauchfells im sogenannten vorperitonealen Raum erfolgt .
In beiden Fällen wird ähnlich wie offen ein Netz eingebracht, jedoch von der Bauchinnenseite her, um die Bruchlücke zu verschließen . Die Vorteile der minimalinvasiven Methoden: Sie sind für den Patienten schonender, da die Schnitte kleiner sind und weniger Weichteile durchtrennt werden .
Dadurch treten geringere Schmerzen auf, und die Erholungszeit ist kürzer . Patienten sind meist innerhalb weniger Tage wieder mobil und können oft schon nach ein bis zwei Wochen ihre normalen Alltagsaktivitäten voll aufnehmen . Auch beidseitige Leistenbrüche lassen sich in einer Sitzung versorgen, ohne zwei getrennte Schnitte machen zu müssen.
Die laparoskopische Technik erfordert allerdings eine Vollnarkose und ist technisch anspruchsvoller; sie wird vor allem von erfahrenen Hernienchirurgen durchgeführt.
Nicht jeder Bruch eignet sich dafür: Sehr große oder komplizierte Hernien, z. B. lange unbehandelte Brüche mit großen Bruchsäcken oder Hernien mit vielen Voroperationen, müssen mitunter weiter offen operiert werden .
Roboter-assistierte Hernienchirurgie: Eine neuere Erweiterung der Schlüssellochtechnik ist der Einsatz von OP-Robotern. Hierbei führt der Chirurg die Instrumente nicht direkt mit den Händen, sondern steuert mechanische Roboterarme von einer Konsole aus.
Der Roboter (z. B. das daVinci-System) ermöglicht hochpräzise Bewegungen und eine 3D-HD-Sicht im Körperinneren . Insbesondere bei komplexen Hernien kann der Roboter Vorteile bieten, da seine flexiblen Instrumente Bereiche erreichen, die mit starren Laparoskopie-Instrumenten schwierig zugänglich sind .
Roboter-OPs gewinnen weltweit an Verbreitung – junge Chirurgen erlernen diese Technik zunehmend als Standard . Für Patienten bietet die roboter-assistierte Methode ähnliche Vorteile wie die herkömmliche Laparoskopie: kleine Schnitte, wenig Schmerzen und rasche Genesung .
Zudem erlaubt die bessere Visualisierung mit dem Roboter eine äußerst präzise Präparation, was theoretisch das Risiko für Komplikationen weiter senken kann. Allerdings ist die Robotertechnik sehr teuer, und die Operationen dauern oft länger als laparoskopische oder offene Eingriffe. Studien zeigen, dass Sicherheit und Erfolgsrate der Robotik mit den anderen Methoden vergleichbar sind.
In einzelnen Fällen wurden unter Robotereinsatz sogar besonders schwierige Brüche erfolgreich minimalinvasiv repariert, die sonst offen operiert worden wären .
Insgesamt gilt: Die roboter-assistierte Hernienreparatur ist ein leistungsfähiges Werkzeug, aber noch nicht in allen Krankenhäusern verfügbar. Experten raten, den Einsatz kritisch abzuwägen und nicht nur aus Begeisterung für neue Technik zu operieren, wo ein einfacherer Eingriff genügen würde .
In spezialisierten Zentren steht heute idealerweise das gesamte Spektrum bereit – von der offenen über die endoskopische bis zur Roboter-Methode – sodass die optimale Therapie individuell gewählt werden kann .
Netz oder kein Netz?
Neue Entwicklungen: Die Einführung dauerhafter Kunststoffnetze hat die Rückfallquote drastisch reduziert und ist seither der Standard in der Hernienchirurgie .
Doch Netzimplantate sind nicht frei von Nachteilen. Ein kleiner Teil der Patienten entwickelt chronische Leistenschmerzen nach der Operation (in ca. 10 % der Fälle) – oft durch Irritation von Nerven oder Narbenbildung im Bereich des Netzes .
Auch können Netze sich infizieren oder mit umliegenden Organen verwachsen (z. B. mit Darm oder Blase), was zu Komplikationen führen kann . Diese Probleme treten zwar selten auf, sind für Betroffene aber sehr belastend.
Daher suchen Forscher und Chirurgen nach Verbesserungen:
- Resorbierbare (nicht-permanente) Netze: Neue Netzmaterialien, die vom Körper nach und nach abgebaut werden, sollen das Fremdmaterial auf Dauer reduzieren.
Solche bioresorbierbaren Netze lösen eine kontrollierte Entzündungsreaktion aus, die zur Stärkung des körpereigenen Bindegewebes und Vernarbung führt, um den Bruch zu schließen.
Erste Studien zeigen, dass moderne resorbierbare Netze bei ausgewählten Patienten ähnlich niedrige Rezidivraten erzielen wie herkömmliche Netze . Allerdings kann in belasteten Wundgebieten (z. B. bei Darmoperationen mit Infektionsgefahr) die Rückfallrate mit resorbierbaren Netzen etwas höher liegen , sodass hier weiter oft permanente Netze bevorzugt werden. - Netzfreie Techniken (Nahtverfahren): „Kein Netz“ – Repairs erleben in letzter Zeit eine gewisse Renaissance . Insbesondere für Leisten- und Nabelbrüche werden in spezialisierten Zentren wieder vermehrt reine Nahtverfahren angewandt, vor allem wenn Patienten kein Kunststoffimplantat wünschen .
Ein bekanntes Beispiel ist die bereits 1940 entwickelte Shouldice-Operation, bei der die Hinterwand des Leistenkanals in Schichten fest vernäht wird.
Auch neuere Modifikationen wie die Desarda-Methode setzen auf körpereigenes Gewebe (hierbei wird ein Streifen der äußeren Bauchwandaponeurose als Verstärkung genutzt) .
Netzfreie Verfahren vermeiden implantatbedingte Komplikationen vollständig; dafür ist das Wiederbruchsrisiko meist etwas höher und der Eingriff erfordert vom Chirurgen große Erfahrung .
Viele Patienten nehmen aber ein möglicherweise erhöhtes Rezidivrisiko in Kauf, um kein Fremdmaterial im Körper zu haben . - Verfeinerte Netzpositionierung: Um Problemen mit intraabdominellen Netzen entgegenzuwirken, setzen manche Techniken das Netz außerhalb des Bauchfells (extraperitoneal) ein , wo es keinen direkten Kontakt zu Darm oder Organen hat.
Dies ist bei den TEP/TAPP-Verfahren der Fall und wird auch bei Narbenbrüchen angestrebt, um Verwachsungen zu vermeiden. - Verbesserte Operationstechnik: Ein Schlüssel zur Komplikationsvermeidung ist die sorgsame Operationstechnik. Chirurgen achten heute auf Nervenschonung (notfalls gezielte Durchtrennung kleiner Schmerznerven, um Chronischen Schmerz vorzubeugen), exakte Netzgröße (aktuelle Studien legen nahe: weniger Überlappung = weniger Schmerz) , sowie fixationsfreie Netze (selbsthaftende Netze oder Gewebekleber statt Nähte oder Tackernadeln), um die Gewebereizung zu minimieren.
Leistenbruch bei Sportlern
Sportler sind von Leistenbrüchen und leistenbezogenen Schmerzen in besonderer Weise betroffen. Insbesondere Sportarten mit explosiven Drehbewegungen, Sprints oder schwerem Krafttraining belasten die Leistenregion stark.
Oft wird in diesem Zusammenhang der Begriff „Sportlerleiste“ oder „weiche Leiste“ verwendet – damit beschreibt man schmerzhafte Leistensyndrome bei Sportlern, ohne dass ein echter Bruchsack vorliegt.
Hierbei handelt es sich um muskuläre oder tendinöse Überlastungen im Bereich der Bauchwandansätze (auch bekannt als Athletic Pubalgia), die ähnliche Beschwerden wie ein Leistenbruch verursachen können, aber anders behandelt werden (meist konservativ mit Physiotherapie).
Wichtig ist, eine solche funktionelle Sportlerleiste von einem echten Leistenbruch zu unterscheiden . Bei letzterem lässt sich in Untersuchung oder Ultraschall typischerweise eine Bruchpforte nachweisen, durch die Bauchinhalt austritt .
Ursachen bei Sportlern: Bei Männern steckt hinter chronischen Leistenschmerzen durchaus öfter ein klassischer Leistenbruch dahinter, der zunächst klein und unauffällig sein kann.
Typische auslösende Faktoren sind intensive Trainingseinheiten, schweres Gewichtheben und plötzliche Richtungswechsel, die den abdominalen Druck schlagartig erhöhen.
Zwar, wie oben erwähnt, ist schweres Heben allein nicht als Hauptursache belegt , doch in Kombination mit einer möglicherweise vorhandenen Schwachstelle (genetische Veranlagung oder frühere Verletzung) kann es bei Sportlern zum Bruch kommen.
Genetische Faktoren spielen auch hier eine Rolle: Manche Athleten haben von Haus aus schwächeres Bindegewebe und neigen eher zu Hernien.
Weiterhin begünstigt intensiver Sport mit unzureichender Erholungszeit Mikroverletzungen an den Ansatzpunkten der Bauchmuskulatur – die sogenannte Hinterwand des Leistenkanals kann „ausgeleiert“ und geschwächt werden, ohne dass gleich ein Bruchsack entsteht . Dies ist vermutlich eine Vorstufe, die schließlich in einen echten Bruch übergehen kann.
Behandlung und besondere Anforderungen: Bei Leistungssportlern steht neben der sicheren Hernienversorgung vor allem eine rasche Rehabilitation im Fokus.
Moderne minimalinvasive Techniken kommen diesem Bedürfnis entgegen: Laparoskopische Verfahren (TAPP/TEP) erlauben häufig eine Rückkehr zum Training bereits nach ca. 14 Tagen, sofern die Wundheilung normal verläuft .
Durch die geringere Gewebetrauma heilen die Athleten schneller und können zügig wieder an Belastung herangeführt werden. In einigen spezialisierten Sportkliniken wurde auch das „Minimal Repair“-Verfahren entwickelt (u. a. von Dr. Ulrike Muschaweck), das ganz ohne Netz auskommt und nur die geschwächten Faszien vernäht .
Diese Technik wird insbesondere bei Sportlern mit weicher Leiste oder sehr kleinen Hernien angewandt, um die natürliche Gewebestruktur maximal zu erhalten.
Studien zeigen vergleichbare Erfolge wie bei Netzverfahren , allerdings ist hier hohe Expertise erforderlich. Der Vorteil für Sportler: Kein Fremdmaterial, das theoretisch die Beweglichkeit beeinträchtigen oder in seltenen Fällen chronische Beschwerden verursachen könnte.
Wenn doch ein Netz benötigt wird, verwenden Chirurgen bei Sportlern häufig leichte, kleine Netze, die ausreichend stabilisieren, aber möglichst wenig Steifigkeit verursachen.
Rehabilitation: Unabhängig vom Operationsverfahren gilt für Sportler eine kurze Schonzeit.
Meist wird empfohlen, für etwa 1–2 Wochen auf schwere Belastungen zu verzichten und insbesondere kein Hanteltraining oder intensives Core-Training durchzuführen .
Bereits frühzeitig wird jedoch leichte Bewegung angeraten – Spaziergänge oder lockeres Radfahren – um die Durchblutung zu fördern. Nach zwei Wochen kann das Training behutsam wieder aufgenommen werden, beginnend mit geringer Intensität und Fokus auf Technik.
Vollkontakt- und Wettkampfsport sowie schweres Krafttraining sollten erst nach Freigabe durch den behandelnden Arzt, in der Regel nach einigen Wochen, wieder erfolgen.
Interessanterweise ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt, ob eine sehr frühe Vollbelastung das Risiko eines Wiederauftretens erhöht – viele Experten empfehlen jedoch aus Vorsicht eine stufenweise Steigerung der Belastung . Sportmediziner raten Athleten, Schmerzen im Leistenbereich ernst zu nehmen und frühzeitig untersuchen zu lassen.
Wer trotz Leistenschmerzen weitertrainiert, riskiert weitere Schäden und eine Verlängerung der Ausfallzeit . Mit adäquater Therapie und Rehabilitation lassen sich die meisten Sportlerleisten und Leistenbrüche jedoch erfolgreich beheben, so dass eine volle Sportfähigkeit wiederhergestellt wird.
Leistenbruch im höheren Lebensalter
Für ältere Patienten stellt ein Leistenbruch ebenfalls eine besondere Situation dar. Einerseits steigt die Hernienhäufigkeit mit dem Alter deutlich an – bis zur Hälfte der Männer über 75 Jahren sind betroffen .
Andererseits müssen Nutzen und Risiken einer Operation bei Senioren besonders sorgfältig abgewogen werden, da mit höherem Alter vermehrt Begleiterkrankungen (Herz-Kreislauf, Lunge etc.) vorliegen und die Belastbarkeit reduziert sein kann.
Grundsätzlich gilt: Ein Leistenbruch, der keine Beschwerden verursacht, kann – vor allem bei älteren oder gebrechlichen Patienten – zunächst konservativ beobachtet werden (Watchful Waiting). Studien haben gezeigt, dass abwartendes Beobachten bei asymptomatischen oder minimal symptomatischen Leistenbrüchen eine sichere Option darstellt, da die Gefahr akuter Komplikationen (Einklemmung) relativ gering ist .
Pro Jahr kommt es nur bei ca. 2–3 % der unbehandelten Leistenhernien zu einer Einklemmung . Das bedeutet, viele ältere Patienten können über längere Zeit ohne Operation auskommen, solange der Bruch klein bleibt und keine Schmerzen verursacht.
Allerdings „verschwindet“ die Hernie natürlich nicht – häufig nimmt sie langsam zu, und mit der Zeit entwickeln sich bei den meisten Betroffenen doch Symptome.
Eine Langzeitstudie über 12 Jahre fand, dass etwa 64 % der Männer über 50 Jahre, die anfangs mit einem nur leichten Leistenbruch beobachtet wurden, sich schließlich doch operieren ließen, weil Beschwerden auftraten oder der Bruch größer wurde .
Watchful Waiting verzögert eine Operation also oft nur, anstatt sie dauerhaft zu vermeiden .
Wichtig ist, dass Patienten in dieser Zeit engmaschig betreut werden und sofort ärztliche Hilfe suchen, falls sich die Situation verschlechtert (z. B. plötzliche Schmerzen – Hinweis auf Einklemmung).
Für ältere Menschen mit Beschwerden durch den Bruch (Schmerzen, Bewegungseinschränkung) oder progredienter Hernie ist eine geplante Operation durchaus sinnvoll, sofern der Gesundheitszustand den Eingriff erlaubt. Elektriveingriffe verlaufen in der Regel sicher – die Sterblichkeit bei geplanter Leistenbruch-OP ist äußerst gering .
Allerdings zeigen Studien, dass bei älteren Menschen das allgemeine Operationsrisiko leicht erhöht ist und Komplikationen etwas häufiger auftreten können als bei Jüngeren .
Insbesondere Notfalleingriffe bei eingeklemmter Hernie sind im Alter riskant, weshalb man einen Bruch idealerweise in stabilem Zustand operiert, bevor ein Notfall eintritt .
Therapieansätze bei Senioren: Die moderne Hernienchirurgie bietet für ältere Patienten angepasste Lösungen.
Bei guter Fitness des Patienten kann genauso wie bei Jüngeren ein minimalinvasiver Eingriff in Vollnarkose durchgeführt werden – Studien zufolge profitieren auch Patienten über 70 von der geringeren Belastung und schnelleren Erholung der Schlüssellochmethode .
Viele sind bereits nach wenigen Tagen wieder mobil und unabhängig. Falls jedoch schwere Herz- oder Lungenleiden vorliegen, kann eine Vollnarkose problematisch sein.
In solchen Fällen wird oft auf die offene Operation in örtlicher Betäubung ausgewichen. Beispielsweise kann ein Leistenbruch in Lokalanästhesie nach dem Lichtenstein-Verfahren repariert werden, was eine schonende Alternative darstellt .
Die Erfolgsraten der Operation sind auch im höheren Alter hoch; allerdings gibt es Hinweise, dass sehr betagte Männer (>75–80 Jahre) etwas höhere Rezidivraten haben, da ihr Gewebe insgesamt schwächer ist .
So berichten Chirurgen, dass bei älteren Hernienpatienten über 10 % innerhalb einiger Jahre erneut einen Bruch (an gleicher oder anderer Stelle) entwickeln .
Dieses Risiko wird durch den Einsatz von Netzen zwar reduziert, aber die natürliche Alterung des Gewebes lässt sich nicht komplett aufhalten.
Postoperative Aspekte: Nach einer Hernien-OP im Alter ist eine sorgfältige Betreuung wichtig. Ältere Patienten erholen sich meist etwas langsamer.
Hier kommen Konzepte wie „Fast-Track“-Chirurgie zum Tragen, die eine optimierte Schmerztherapie, frühe Mobilisation und Atemtherapie beinhalten, um Komplikationen wie Pneumonien vorzubeugen.
Oft können Senioren schon am Tag der OP oder kurz danach aufstehen und vorsichtig umhergehen. Innerhalb von zwei Wochen erreichen viele wieder ihren Ausgangsstatus , sofern keine Komplikationen auftreten.
Hebe- und Tragebelastungen über 5 kg sollten aber für die ersten 4–6 Wochen vermieden werden, um die frische Naht nicht zu gefährden . In einigen Fällen wird älteren oder pflegebedürftigen Menschen ein Herniengurt verordnet, falls eine Operation nicht erfolgt.
Solche speziellen Bruchbänder können temporär das Hervortreten des Bruchs verhindern und Beschwerden lindern, stellen aber keine Dauerlösung dar – der Bruch bleibt weiterhin vorhanden und kann sich vergrößern, wenn die Bauchpresse nachlässt.
Abschließend ist bei älteren Patienten die individuelle Abwägung entscheidend: Ein rüstiger 70-Jähriger mit schmerzhaftem Leistenbruch wird heute meist operativ versorgt, damit er schnell wieder schmerzfrei und aktiv sein kann.
Hingegen kann man bei einem 85-jährigen Multimorbiden mit kleinem, symptomlosem Bruch eher darauf verzichten und nur beobachten.
Die informierte Entscheidung wird am besten gemeinsam von Patient, Hausarzt und Chirurg getroffen, unter Berücksichtigung von Lebensqualität und Risiken.
Zukunftsausblick: Neue Forschung und Therapieansätze
Die Behandlung des Leistenbruchs besteht seit über 100 Jahren nahezu ausschließlich in chirurgischen Verfahren. Könnte es in Zukunft eine medikamentöse Behandlung für Hernien geben?
Tatsächlich liefern neueste Forschungen überraschende Ansätze: Anfang 2025 berichtete ein Forscherteam aus den USA über einen Durchbruch in der Hernienforschung.
Erstmals gelang es, bei Versuchen an Mäusen einen bestehenden Leistenbruch mittels Medikament zum Rückbilden zu bringen – ganz ohne Operation .
Die Wissenschaftler hatten entdeckt, dass bei Leistenbrüchen ein bestimmter molekularer Signalweg überaktiv ist: Der Östrogenrezeptor-α (ERα) in Bindegewebszellen der Leiste scheint die Bildung von narbigem, schwachem Gewebe anzutreiben, was letztlich zur Hernie führt .
Mit dem bereits bekannten Medikament Fulvestrant – einem Östrogenrezeptor-Blocker, der eigentlich zur Behandlung von Brustkrebs eingesetzt wird – injektierten sie männlichen Mäusen den Wirkstoff und stoppten damit die bruchfördernden Signale.
Das Erstaunliche: Bei behandelten Tieren schrumpften bestehende Hernien und das Gewebe heilte aus, vergleichbar einem postoperativen Zustand . Gleichzeitig fanden die Forscher exakt dieselben überaktiven Zellmarker auch im Gewebe von menschlichen Hernienpatienten .
Dies weckt die Hoffnung, dass eines Tages hochriskante Patienten (z. B. sehr alte oder schwer kranke Männer) durch ein Medikament behandelt werden könnten, das den Bruch stabilisiert oder heilt . Natürlich steht diese Entwicklung noch am Anfang – bislang sind es Versuchsergebnisse an Mäusen und Gewebeanalysen beim Menschen.
Doch die Identifikation eines konkreten molekularen Mechanismus (ERα-Signalweg) ist ein bedeutender Schritt. Sollte es gelingen, diesen auch beim Menschen gezielt zu beeinflussen, wäre das eine Revolution in der Hernienbehandlung.
Neben solchen pharmakologischen Ansätzen tut sich auch anderweitig viel: Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen halten Einzug in die Chirurgie.
In Datenbanken werden tausende Hernienfälle erfasst, um Muster für optimale Ergebnisse zu finden. So entwickeln Forscher KI-Modelle, die das Risiko für Hernien-Komplikationen oder -Rezidive individuell vorhersagen sollen .
Ein Algorithmus, gespeist mit Patientendaten, könnte zum Beispiel berechnen, ob Patient X mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren operiert werden muss oder ob Patientin Y dank bestimmter Faktoren auch ohne OP auskommt.
Auch bei der Operation selbst wird Zukunftstechnologie denkbar: automatisierte Nahtnähroboter oder 3D-gedruckte, passgenaue Netze sind Gegenstand aktueller Forschung .
Ein weiteres Feld ist die holistische Versorgung von Hernienpatienten – wie oben beschrieben, rückt man vom isolierten „Loch-Stopfen“ ab und betrachtet die Abdominale Core Health insgesamt.
Interdisziplinäre Teams aus Chirurgen, Physiotherapeuten und Ernährungsberatern arbeiten zusammen, um Patienten vor und nach Hernien-OPs optimal zu betreuen, die Rumpfmuskulatur zu stärken und Begleitprobleme wie Rückenschmerzen oder Beckenbodenschwäche mit anzugehen .
Dieser Ansatz kann die Lebensqualität deutlich verbessern und vielleicht sogar erneuten Hernien vorbeugen, indem der gesamte Rumpf stabilisiert wird.
Fazit: Der Leistenbruch ist eine weit verbreitete Erkrankung, die durch moderne Medizin sehr gut behandelbar ist. Dank minimalinvasiver Techniken können die meisten Patienten heute schnell wieder in ihren Alltag oder Sport zurückkehren .
Spezielle Patientengruppen – vom Leistungssportler bis zum Senior – profitieren von individuell angepassten Therapiekonzepten, die von High-Tech-Robotik bis hin zu konservativem Abwarten reichen. Wichtig bleibt, auf die Warnsignale des Körpers zu achten: Eine Vorwölbung oder anhaltende Schmerzen in der Leiste sollten ärztlich abgeklärt werden, um frühzeitig die richtige Behandlung einzuleiten.
Mit fundiertem Wissen über Ursachen, Risikofaktoren und moderne Therapien können Patienten informierte Entscheidungen treffen.
Die Hernienchirurgie 2025 vereint Hightech und ganzheitliche Betreuung – und vielleicht eröffnen kommende Forschungsergebnisse sogar völlig neue, nicht-chirurgische Wege der Hernientherapie . Bis es so weit ist, ist und bleibt jedoch die Operation die effektivste und einzige Heilungsmöglichkeit eines Leistenbruchs .
Referenzen
- Gödel, C. et al. Welche Ursachen hat ein Leistenbruch? – netdoktor.de (2022)
- Hutterer, C. et al. Sportlerleiste, Leistenhernie und Schenkelhernie, Dt. Z. Sportmedizin (2020)
- McCartney, J. et al. New Approaches, Trends Are Emerging in Hernia Repair, ACS Bulletin (2023)
- Huerta, S. et al. Open, Laparoscopic, and Robotic Inguinal Hernia Repair: Systematic Review, J. Clin. Med. (2025)
- Northwestern Univ. et al. Drug reverses groin hernias in male mice without surgery, shows promise in humans, ScienceDaily (2025)
- Gantert, W. et al. Leistenbruch – Interview, Hirslanden Blog (2019)
